Im Mediengespräch zur Lagebeurteilung 2/2015 wurde Thomas Jordan nach den Gründen für die aus SNB-Sicht bevorstehende Abschwächung des Franken befragt. Die Lehrmeinung ist, dass Wechselkurse langfristig gemäss den Zinsendifferenzen schwanken. Die Zinsen sind wiederum eine Funktion des realwirtschaftlichen Umfelds (Angebot/Nachfrage nach Kredit) und allenfalls abweichender Geldpolitik.
Genau das gab Jordan meinem Verständnis nach zur Antwort. Er verwies auf die Unattraktivität des Frankens vis-a-vis anderer Währungen angesichts des Negativzinses und der konjunkturellen Abschwächung. Letzteres ist also ein Hinweis, dass die Zinsen hierzulande länger tief bleiben als z.B. im zaghaft aufblühenden Euroraum.
Meine Zinsdifferenzperspektive spricht allerdings FÜR eine anhaltende Frankenstärke: Die impliziten Zinserwartungen zeigen keinerlei Rückkehr der historischen Zinsdifferenz in der kurzen Frist. Stimmt das, würde der Franken stark bleiben.
Implizite Zinserwartungen berechnen: Mickey Mouse Version
Man kann versuchen die Zinsen in x Jahren aus der heutigen Zinsstrukturkurve abzuleiten. Es gibt dafür verschiedene Methoden, je nachdem welcher Theorie der Zinstrukturkurve man verschrieben ist. Hier präsentiere ich eine Mickey Mouse Version nach der „Markterwartungstheorie“. „Mickey Mouse“ deswegen, weil es eine sehr simpel anwendebare Theorie ist, die aber wahrscheinlich wichtige Faktoren übersieht.
Laut Markterwartungstheorie ist der Zinssatz, den man heute auf eine Staatsanleihe mit zwei Jahren Restlaufzeit bekommt das Produkt aus Zinsniveau heute und Zinserwartung für in einem Jahr. Für dreijährige Restlaufzeit ist es dann das Produkt aus Zinsniveau heute, Zinserwartung für in einem Jahr und Zinserwartung für in zwei Jahren, usw.
Was diese Theorie ignoriert sind Liquiditäts- und Risikoprämien verschiedener Laufzeiten. Staatsanleihen mit einjähriger Restlaufzeit mögen einfacher verkäuflich sein, als solche mit 10 Jahren. Auch das Preisrisiko der beiden ist unterschiedlich, hat man über zehn Jahre doch eine fundamental grösseres Zinsrisiko als über nur eines.
In einer später nachzureichenden Vollblutversion werde ich diese Prämien separat schätzen. Indem ich sie heute ignoriere, nehme ich implizit an, dass diese Prämien für deutsche und schweizerische Staatsanleihen genau gleich gross sind. Persönlich würde ich tippen, dass die Liquiditätsprämie für BUNDs niedriger, die Risikoprämie jedoch höher ist als für Eidgenossen.
In naher Zukunft tut sich nix
Der Markterwartungstheorie folgend habe ich die impliziten Zinsen für deutsche und schweizerische Staatsanleihen in 1, 2, 3, … 10 Jahren berechnet. Die Zinsdifferenz aus diesen Schätzwerten schaut aus wie folgt:
Zwei Beobachtungen: Zum einen sieht man wie schlecht es bereits um die Zinsdifferenz stand, bevor die SNB im Dezember die Negativzinsen einführte und im Januar verschärfte. Ohne den Januarschritt hätten wir wohl einen deutlich stärkeren Franken. Ebenfalls sieht man wie die Differenz seit März auch für weitere Distanzen wieder aufgeht.
Was man allerdings nicht sieht ist eine steigende Zinsdifferenz in der kurzen Frist. Die dunkelblauen Linien sind seit Januar flach. Seit dem SNB-Zinsschritt zur Freigabe des Wechselkurses hat sich nichts getan. Dies ist auch in den hier nicht abgebildeten Junizahlen noch so. Investoren erwarten demnach keine Entspannung, der Franken bleibt stark.
Für eine Frankenabwertung bräuchte es also mindestens eine der folgenden Überraschungen: (1) Die SNB geht tiefer in die Negativzinsen, (2) die schweizerische Rezession verschärft sich rapide, oder (3) der deutsche/europäische Wirtschaftsaufschwung verstärkt sich rapide. Die vierte Überraschung, ein Zinsschritt der EZB, ist in den nächsten anderthalb Jahren vom Tisch.
Die jüngsten Bewegungen am deutschen Staatsanleihenmarkt würde ich eigentlich (3) zuschlagen. Was dazu nicht passt ist die DAX-Performance im gleichen Zeitraum. Trotzdem sehe ich die primären Chancen auf einen schwächeren Franken in (3). Die anderen beiden Optionen könnten gemeinsam eintreten, sobald die Schweizer Arbeitgeber nicht mehr an einen sich abschwächenden Franken glauben.